Berliner Mauer

Etwas Großartiges

Dr. Nuria Cerda-Esteban, Leiterin, Wissenschaftlicher Vorstandsbereich

Es ist schwierig zu sagen, ob ich mich an den 9. November 1989 erinnere, oder ob mein Kopf inzwischen eine Erinnerung aus Bildern, die wir bei jedem Jubiläum sehen, zusammengestellt hat.
Erst am MDC verstand ich, dass man nicht über Nacht und auch nicht in einem Jahr zwei Systeme zusammenbringen kann.
Dr. Nuria Cerda Esteban
Nuria Cerda Esteban Leiterin Wissenschaftlichlicher Vorstandsbereich

Ich war in Spanien, es gab einen Fernseher, Leute tanzten auf einer angesprayten Mauer. Die Erwachsenen meinten, es sei etwas Großartiges geschehen - die Wiedervereinigung von zwei getrennten Welten. Auch für eine Sechsjährige leicht, dies als etwas Gutes einzustufen. 

Sechs Jahre später, die erste Reise nach Deutschland mit der Schulklasse. Austausch in einer Berliner Familie. Wir fragten uns, ob unsere Familien in West- oder Ostberlin leben würden. Ein Besuch, womöglich nicht nur in einem fremden Land, sondern sogar in einer früher von uns abgeschotteten Welthälfte? – Alle Familien lebten in Steglitz, es blieb also erst einmal bei kleinen Einblicken in den früheren Osten. Die wenigen Spaziergänge in Ostberlin zeigten dunkle Gebäude und ein Meer an Baukränen. Die Geschichte der Teilung blieb für uns eine westzentrische.

Erst am MDC verstand ich, dass man nicht über Nacht und auch nicht in einem Jahr zwei Systeme zusammenbringen kann. Meine ostdeutschen Kolleginnen und Kollegen klärten mich über das Leben in der DDR auf. Über das, was man vermisste, und das, worüber man froh war, es los zu sein. Über das Gefühl, nicht wiedervereinigt, sondern geschluckt worden zu sein. Über die Freude, dass sich etwas verändert hat, aber auch die Enttäuschung darüber, dass diese Veränderung zu schnell und von außen erfolgte. 

Ich bin dankbar für diese Einblicke, die an einem Ort wie dem MDC an jeder Ecke warten. Hier bringt die Wissenschaft Menschen mit allen möglichen Hintergründen zusammen. Für mich ist der 9. November weiterhin ein Tag der Freude. Ohne den Mauerfall wäre ich nicht in Berlin. Ohne den Mauerfall hätte ich viele wunderbare Leute nicht kennengelernt. Ich freue mich, dass wir am 9. November Diversität und Zusammenhalt feiern - und dass wir den Rest des Jahres daran arbeiten, diese wichtigen Güter zu pflegen.

 

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