Somesh Sai, Tijana Perovic and Miriam Wandres

Kräfte bündeln, Veränderungen erreichen

Den wissenschaftlichen, sozialen und wirtschaftlichen Bedürfnissen der Promovierenden am MDC eine Stimme zu geben – das ist das Ziel der PhD Representatives. Zu ihren Herzensthemen gehören Gleichheit, Diversität und Inklusion, aber auch ein stärkeres Zusammenhörigkeitsgefühl.

Von den angestellten 833 Wissenschaftler*innen (Stand: 2021), die am Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in der Helmholtz-Gemeinschaft (MDC) tätig sind, sind etwa 400 Doktorand*innen. 150 davon sind als Gäste am MDC. Ihre Interessen vertreten die PhD Representatives, derzeit neun an der Zahl. Mit drei von ihnen haben wir über ihre Triebfeder gesprochen, sich in der Doktorand*innen-Vertretung des MDC zu engagieren. Miriam Wandres forscht seit 2020 in der Arbeitsgruppe „Systembiologie von Gen-regulatorischen Elementen“ von Professor Nikolaus Rajewsky am Berliner Institut für Medizinische Systembiologie (BIMSB) des MDC. Somesh Sai ist seit 2019 bei der Genomik-Plattform unter der Leitung von Dr. Janine Altmüller, ebenfalls am BIMSB, tätig. Und Tijana Perovic ist in ihrem letzten PhD-Jahr; seit 2018 forscht sie in der Arbeitsgruppe „Integrative vaskuläre Biologie“ von Professor Holger Gerhardt auf dem Campus Buch. Miriam Wandres und Tijana Perovic wurden im vergangenen Jahr zu PhD- Representatives gewählt, Somesh Sai ist seit drei Jahren dabei.

Warum engagiert Ihr Euch bei den PhD Representatives?

Tijana Perovic: Ich bin bei den PhD Representatives, weil ich in dieser Funktion sehr viel darüber lerne, wie unser Institut funktioniert. Man erfährt hautnah, worauf es bei einer Doktorarbeit am meisten ankommt, was in dieser Hinsicht am Institut gut und was schlecht läuft. Und man kann versuchen, die Situation für zukünftige Doktorand*innen zu verbessern.

Somesh Sai: Ich habe mich aus ähnlichen Gründen dafür entschieden, bei den PhD Representatives mitzumachen: Ich wollte die Prozesse am MDC verstehen. Um sie zu verbessern, ist das Institut auf Input angewiesen, auch von den Studierenden selbst. Die Doktorand*innen-Vertretung bietet eine Plattform, auf der ich meine Interessen und die der anderen Doktorand*innen zum Ausdruck bringen, ihnen eine Stimme geben kann.

Miriam Wandres: Um wirklich etwas zu bewirken, ist die Doktorand*innen-Vertretung die beste Möglichkeit, Kräfte zu bündeln und Veränderungen zu erreichen.

Wie wird man PhD Representatives?

Tijana: Einmal jährlich finden Wahlen statt. Ich persönlich finde das gut: Eine Wahl ist wie ein Vertrag. Man übernimmt Verantwortung für die Menschen, die einen gewählt haben, und verpflichtet sich damit stärker, sich für sie einzusetzen.

Miriam: Grundsätzlich kann jede*r mitmachen, die*der mitmachen will. Aber es ist gar nicht so einfach, Mitstreiter*innen zu gewinnen. Es ist eine Menge Arbeit, und manchmal ist es frustrierend, in immer wiederkehrenden Meetings die gleichen Dinge erklären zu müssen – Dinge, die für uns Doktorand*innen klar ersichtlich sind, aber außerhalb unseres Kreises des Öfteren nicht.

Lebensqualität könnte besser sein

Zum Beispiel?

Miriam: Wir setzen uns zum Beispiel für eine längere Laufzeit der Verträge von Doktorand*innen ein. Diese werden für drei Jahre abgeschlossen. Eine Doktorarbeit am MDC nimmt aber durchschnittlich 4,8 Jahre in Anspruch. Das heißt, nach zweieinhalb Jahren muss man über eine Vertragsverlängerung verhandeln. Insbesondere für Doktorand*innen, die nicht aus der Europäischen Union stammen, ist das eine belastende Situation, da ihre Aufenthaltsgenehmigungen oft an die Arbeitsverträge gebunden sind. Wir schlagen deshalb vor, dass die Verträge mindestens auf vier Jahre ausgelegt sind. Eine Alternative wäre, dass die Arbeitsgruppenleiter*innen Promotionsprojekte mit einem realistischen Zeitplan erarbeiten, die innerhalb von drei Jahren abgeschlossen werden können.

Welche Themen bearbeitet ihr außerdem?

Somesh: Wir arbeiten in verschiedenen Teams, in denen jede*r von uns kann ihre*seine Schwerpunkte setzen kann. Es gibt ein Kommunikations- und ein Eventsteam, ein Achtsamkeitsteam, eine Netzwerkgruppe und die Helmholtz Juniors, die Doktorand*innen-Initiative innerhalb der Helmholtz-Gemeinschaft. Ich bin im Kommunikationsteam dafür zuständig, dass alle Informationen, die Doktorand*innen betreffen, auch bei ihnen ankommen. Daneben engagiere ich mich – wie Miriam und Tijana auch – im Achtsamkeitsteam.

Miriam: Ein sehr wichtiges Thema ist die Verbesserung der Lebensqualität und der geistigen Gesundheit. Eine Umfrage der N²-Plattform zeigt, dass viele Doktorand*innen mit depressiven Symptomen zu kämpfen haben. N² steht für das „Netzwerk der Netzwerke“ und wurde vom Max Planck PhDnet, den Helmholtz Juniors und dem Leibniz PhD Network gegründet, um eine gemeinsame Anlaufstelle der meisten nicht-universitären Einrichtungen für alle Fragen rund um die Promotion zu schaffen.

Akademische Welt steht unter Druck

Was ist für Doktorand*innen besonders belastend?

Miriam: Auf vielen von uns lastet ein erheblicher Druck. Über die befristeten Arbeitsverträge haben wir bereits gesprochen. Aber es gibt sicherlich noch andere Gründe dafür. Zum Beispiel ist es sehr schwierig, eine Promotion mit der Familie in Einklang zu bringen. Einige von uns haben bereits Kinder, jedoch alles andere als familienfreundliche Arbeitszeiten. Das muss berücksichtigt werden: Auch Eltern mit Kind sollten einen Doktortitel erwerben können.

Tijana: Die akademische Welt hat sich in den vergangenen 50 Jahren stark verändert. Der Druck auf die Wissenschaftler*innen hat erheblich zugenommen, sowohl in wirtschaftlicher Hinsicht als auch im Hinblick auf Publikationen. Und dann kam auch noch COVID-19.... Die Pandemie hat diesen Druck noch erhöht. Besonders schwierig war es für Doktorand*innen aus anderen Ländern, die für eine lange Zeit ihre Familien nicht sehen konnten. Doch jede Krise hat auch etwas Gutes: Indem sie die Schwächen deutlich macht, erhalten wir die Chance, die Dinge zum Besseren zu entwickeln. Wir erleben da gerade eine sehr positive Dynamik.

Gleichheit – Diversität – Inklusion

Gibt es so etwas wie ein Herzensthema?

Miriam: Somesh hat bereits erwähnt, dass wir drei uns im Achtsamkeitsteam engagieren, das ist uns sehr wichtig. Meine persönliche Herzensangelegenheit ist außerdem das Thema Diversität. Unsere administrative Vorständin Professorin Heike Grassmann hat im Dezember einen EDI-Workshop ins Leben gerufen. EDI steht für Equality – Diversity – Inclusion (Gleichheit – Diversität – Inklusion). Dabei haben wir eine ganze Liste von Dingen erarbeitet, die wir am MDC gern einrichten würden. Unter der Leitung des Nachhaltigkeitsbeauftragten Dr. Michael Hinz treffen wir uns jetzt einmal im Monat, um uns auszutauschen.

v.l.n.r.: Somesh Sai, Tijana Perovic und Miriam Wandres

Was ist hier Euer besonderes Anliegen?

Miriam: Wir setzen uns dafür ein, dass ein*e EDI-Beauftragte*r eingesetzt wird. Er*sie soll zunächst untersuchen, wie divers das MDC eigentlich ist. Er*sie soll auch als Anlaufstelle fungieren, wenn Probleme auftreten, vielleicht auch die MDC-Mitarbeiter*innen in Diversity-Fragen schulen. Denn noch immer werden Menschen aufgrund traditioneller Denkmuster und Stereotype diskriminiert, auch wenn dies oft unbewusst geschieht. Das gilt auch für die Personalrekrutierung – deswegen werden künftig Fotos aus Bewerbungen entfernt, um diskriminierende Faktoren wie Alter, Hautfarbe, Geschlecht oder Religion auszublenden.

Ist eine Institution wie das MDC mit ihren vielen internationalen Forschenden nicht automatisch divers?

Miriam: Es kommt darauf an, dass diese Diversität auch gelebt wird. Dafür müssen wir uns das Thema bewusster machen. Es liegen zwar Daten zu den einzelnen Personengruppen am MDC vor – aber sie sind unvollständig und werden auch nicht ausgewertet. Wir möchten zum Beispiel auch erreichen, dass es ein Doktorand*innen-Stipendium für unterrepräsentierte Personengruppen ins Leben gerufen wird. Daneben geht es uns um ganz praktische Dinge wie einen Gebetsraum, Unisex-Toiletten oder eine behindertengerechte Bauweise. Was wir außerdem brauchen, ist jemand, der*die Menschen mit seelischen Problemen dabei unterstützt, einen Therapieplatz zu finden. Die Pandemie hat deutlich gemacht, wie schwer das sein kann – insbesondere für Nicht-Muttersprachler*innen.

Berührungspunkte zwischen Buch und Mitte schaffen

Tijana: Mir liegt noch ein weiteres Thema sehr am Herzen: nämlich unsere Identität als MDC-Angehörige. Es gibt nur wenige Berührungspunkte zwischen den Doktorand*innen in den einzelnen Forschungsgruppen bzw. in den unterschiedlichen Häusern auf dem Campus Buch. Geschweige denn zwischen den PhDs, die in Berlin-Buch tätig sind, und denen, die am Berliner Institut für Medizinische Systembiologie (BIMSB) des MDC in Berlin-Mitte arbeiten. Ich würde mir wünschen, dass wir uns mehr begegnen und uns besser kennenlernen würden.

Was könnte denn das Zusammengehörigkeitsgefühl steigern?

Tijana: Ich fände es zum Beispiel großartig, wenn die Forschungsgruppenleiter*innen regelmäßige Vorträge über ihre Arbeit halten würden. Dort könnte man sich zum einen begegnen, zum anderen würde man erfahren, woran die anderen Gruppen eigentlich arbeiten – das würde den eigenen Horizont stark erweitern, und man hätte ein viel besseres Gefühl dafür, was am MDC alles passiert.

Welche Erfolge konnten die PhD Representatives bislang erzielen?

Tijana: Die PhD Representatives haben schon ganz beachtliche Erfolge erzielt, unter anderem eine bessere Bezahlung für Doktorand*innen. Eine weitere Errungenschaft sind die Leitlinien gegen Mobbing, Diskriminierung und sexuelle Belästigung, an denen wir in der Anti-Harassment-Taskforce mitgewirkt haben. Insgesamt werden die Belange der Doktorand*innen stärker wahrgenommen als noch vor wenigen Jahren. Mittlerweile gibt es ganz regelmäßige Treffen mit dem Vorstand, in denen wir sehr strukturiert über die Angelegenheiten sprechen, die uns am Herzen liegen. Und der Vorstand nimmt diese auch ernst.

Miriam: Das ist ein ganz wichtiger Punkt: Die Kommunikation ist sehr viel besser geworden. Früher ist ganz viel ohne uns passiert, dabei sind wir fast 400 Leute am Institut. Jetzt werden wir gefragt, ob wir Veränderungsvorschläge haben. Das steigert die Erfolgsaussichten enorm.

Vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte Jana Ehrhardt-Joswig.