Mikroskop Mensch

Neues Netzwerk für Gentherapien

Das Max Delbrück Center ist Partner des Doktorand*innen-Netzwerks GetRadi, das im September gestartet ist. Bis zum 20. Oktober können sich Nachwuchsforschende bewerben, die in dem EU-geförderten Vorhaben lernen wollen, Gentherapien für seltene Erkrankungen zu entwickeln.

Weltweit leiden 300 Millionen Menschen an seltenen Erkrankungen (Rare Diseases). Etwa 6000 solcher Erkrankungen, die jeweils weniger als einen von 3000 Menschen betreffen, sind bekannt – und die wenigsten von ihnen sind bislang heilbar. „Meist ist nur ein einziger Gendefekt die Ursache. Gezielte Gentherapien eröffnen da eine Chance auf Heilung“, sagt Dr. Ralf Kühn. Er leitet die Arbeitsgruppe „Genom-Editierung und Krankheitsmodelle“, hat die Beteiligung des Max Delbrück Centers am Marie Curie-Doktorand*innen-Netzwerk „Gene Therapy of Rare Diseases“ (GetRadi) eingefädelt. Er wird eine bzw. einen der geförderten zehn Nachwuchsforschenden betreuen.

„Genome Editing“ verbessern

Die Idee hinter dem mit insgesamt knapp 2,8 Millionen Euro geförderten EU-Vorhaben: vielversprechende Nachwuchswissenschaftler*innen gezielt darin auszubilden, Gentherapien für seltene Erkrankungen zu entwickeln. Die Arbeiten der Doktorand*innen sollen insbesondere dazu beitragen, „Genome Editing“-Werkzeuge genauer in die Zielzellen zu transportieren, die Effizienz des Gen-Editierens und die Sicherheit von Gentherapien zu verbessern.

Die jeweils an einer Partnerinstitution verankerten Forschenden arbeiten für je zwei Monate bei zwei anderen Netzwerk-Partnern, darunter bei einem der beteiligten Unternehmen aus der Pharma- bzw. Biotech-Industrie. Zum Programm gehören fachliche Trainings, etwa in Gentherapie-Technologien und Molekularbiologie. Nach Abschluss sollen die Nachwuchsforschenden befähigt sein, ihre Kenntnisse in therapeutisch nutzbare Produkte umzusetzen. Deshalb werden sie auch in unternehmerischen und rechtlichen Fragen sowie in industriellem Projektmanagement geschult. Trainings für wichtige Sozialkompetenzen umfasst das Programm ebenfalls.

Das Netzwerk GetRadi wird von Professor Cord Brakebusch von der Universität Kopenhagen koordiniert. Insgesamt 14 Institutionen sind beteiligt, darunter drei Partner aus der Industrie; als einer der sieben EU-geförderten Partner erhält das Max Delbrück Center 260.500 Euro. Die Bewerbungsphase hat Mitte September begonnen und endet am 20. Oktober 2022. Danach beginnt die Auswahl.

Die Krankheitsursache inaktivieren

„Wir wollen Mitte März 2023 starten“, sagt Ralf Kühn. Sein GetRadi-Projekt läuft in Kooperation mit Professor Markus Schülke von der Charité – Universitätsmedizin Berlin. Er verfügt über gespendete Zellen eines Patienten, der am SYNGAP1-Syndrom leidet. Diese seltene Krankheit behindert die neuronale Kommunikation im Gehirn und stört damit unter anderem die motorische und geistige Entwicklung des betroffenen Kindes. „Wir werden an einer Gentherapie arbeiten, die das auslösende Gen inaktiviert“, berichtet Ralf Kühn.

Die Charité-Forschenden haben aus den mutierten Zellen bereits induzierte pluripotente Stammzellen gewonnen. Diese werden im nächsten Schritt zu neuronalen Zellen differenziert. Dann kommt eine Weiterentwicklung der CRISPR/Cas-Technologie zum Einsatz: das „base editing“. Dabei wird nicht mehr der ganze Doppelstrang mit der Genschere zerschnitten, sondern wie mit einer Pinzette eine einzelne Base ausgetauscht. Der Basen-Editor, ein Fusionsprotein aus der „Genschere“ Cas9, steuert ganz gezielt die mutierte Stelle in der Gensequenz der Neuronen an, um dort die Hemmung der Proteinproduktion an den Synapsen aufzulösen. Funktioniert der Einsatz des Basen-Editors so, wie Kühn hofft, bietet diese Gentherapie möglicherweise Heilungschancen für zahlreiche seltene Krankheiten.

Text: Wiebke Peters

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