Herpesviren

Warum manche Viren dauerhaft bleiben

Viren kommen und gehen. Meistens jedenfalls. Manche aber bleiben für immer. Was Viren befähigt, sich dauerhaft in ihrem Wirt einzunisten, will das Team von Markus Landthaler am MDC im Rahmen des DFG-Forschungsverbundes DEEP-DV herausfinden.

Die meisten Viruserkrankungen verlaufen akut: Auf die Infektion folgt erst die Genesung, dann die Immunisierung. Nach überstandener Infektion sind die Betroffenen vor einer weiteren Ansteckung weitgehend geschützt. Manchen Viren - zum Beispiel dem Herpesvirus - jedoch gelingt es, das Immunsystem zu umgehen und sich permanent in den Wirtszellen einzunisten. Über die molekularen Abläufe, die sich im Laufe einer chronischen Virusinfektion abspielen, ist noch wenig bekannt.

Disrupt – Evade – Exploit

Die neu von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) eingerichtete Forschungsgruppe „Disrupt – Evade – Exploit: Steuerung der Genexpression und Wirtsantwort durch DNA-Viren“ (DEEP-DV) hat zum Ziel, Mechanismen von menschlichen Zellen zu entschlüsseln, die chronische und akute Infektionen mit DNA-Viren bedingen. Zu den DNA-Viren gehören mehr als 20 Virusfamilien, nicht nur die Herpes-, sondern auch Papilloma- und Adenoviren, die Infektionen am Auge, der Atemwege oder des Magen-Darm-Bereichs auslösen.

Ziele der Forschungsgruppe FOR5200 DEEP-DV

Insgesamt zwölf wissenschaftliche Arbeitsgruppen sind an DEEP-DV beteiligt – darunter die Arbeitsgruppe von Professor Markus Landthaler am Berliner Institut für Medizinische Systembiologie (BIMSB) des Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in der Helmholtz-Gemeinschaft (MDC). Sprecherinnen des Verbundes sind Professorin Melanie Brinkmann von der Technischen Universität Braunschweig und Professorin Nicole Fischer vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. Neben dem MDC gehören die Medizinische Hochschule Hannover, das Leibniz-Institut für Experimentelle Virologie Hamburg, die Freie Universität Berlin, die Universität Würzburg, das Universitätsklinikum Ulm und die Ludwig-Maximilian Universität München der Forschungsgruppe an.

Die molekularen Grundlagen des Herpesvirus verstehen

Wir wollen verstehen, wie das Virus die Wirtszelle umbaut, um dauerhaft in ihr bleiben zu können.
Markus Landthaler
Professor Markus Landthaler AG RNA und Posttranskriptionale Regulation

Das Team von Markus Landthaler arbeitet mit Herpesviren. Weltweit tragen etwa 80 Prozent der Menschen den Herpestypen HSV-1 in sich. Bei den meisten bleibt die Infektion unbemerkt, oder sie äußert sich in Form von schmerzhaften Bläschen, zum Beispiel an der Lippe. In seltenen Fällen, etwa bei Neugeborenen oder Menschen mit schwachem Immunsystem, können Herpesviren Entzündungen im Gehirn oder der Lunge hervorrufen. „Wir wollen verstehen, wie das Virus die Wirtszelle umbaut, um dauerhaft in ihr bleiben zu können“, sagt Landthaler. Die Wissenschaftler*innen interessieren sich besonders für die Proteine, die das Virus bildet, wenn es in die Wirtszelle eindringt. Dabei haben sie es vor allem auf ICP4 abgesehen, ein Protein, welches das Virus benötigt, um seine DNA in RNA umzuschreiben. Ist ICP4 möglicherweise auch dazu in der Lage, an die RNA der Wirtszelle zu binden? Wenn ja: Wie kommt diese Bindung zustande, und welche Rolle spielt sie? Nutzt das Virus sie, um mit der Wirtszelle zu interagierenAuf diese Fragen suchen Landthaler und sein Team mit DEEP-DV Antworten.

Um Bindungsstellen zwischen Virenproteinen und Wirtszellen-RNA zu identifizieren, nutzen die Forscher*innen unter anderem die PAR-CLIP-Methode, ein spezielles biochemisches Verfahren, das Markus Landthaler vor etwas mehr als zehn Jahren mitentwickelt hat. Dabei werden Proteine und RNA-Moleküle mit Hilfe von UV-Licht quervernetzt. Die dabei entstehenden Komplexe werden aufgespalten, die RNA kann von den Proteinfäden abgezogen und im Hochdurchsatz sequenziert werden. So können die Wissenschaftler*innen bestimmen, ob und an welchen Stellen Proteine an RNA binden.

Gesucht: Neue Behandlungsansätze

Sollten die Wissenschaftler*innen in den kommenden vier Jahren – der Projektlaufzeit von DEEP-DV – relevante Interaktionen ausfindig machen zwischen den Proteinen, die das Virus bildet, und der RNA der infizierten Zelle, ergeben sich daraus neue Ansatzpunkte für die Medikamentenforschung. „RNA-bindende Proteine können blockiert werden“, sagt Markus Landthaler. „Damit könnten wir also nach neuen Möglichkeiten suchen, chronische Virusinfektionen zu behandeln.“ Bis dahin sei es aber noch ein langer Weg.

DFG richtet 13 neue Forschungsgruppen ein

 

DEEP-DV ist eine von insgesamt 13 neuen Forschungsgruppen, die die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) eingerichtet hat. Für die nächsten vier Jahre erhalten die neuen DFG-Forschungsgruppen insgesamt rund 47,4 Millionen Euro inklusive einer 22-prozentigen Programmpauschale für indirekte Kosten aus den Projekten. Für die Arbeitsgruppe von Markus Landthaler bedeutet das unter anderem eine durchfinanzierte Doktorandenstelle für den Förderzeitraum.

Text: Jana Ehrhardt-Joswig

 

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